Eine philosophische Entdeckungsreise

Das Spiel mit dem Gegensatz

2.1.4 Was kann ich für Dich tun?

Sei mal ehrlich. Wieviel Prozent Deiner Tageszeit verwendest Du bewußt für andere? 1 Prozent, 2 Prozent oder gar 10 %?

Ich glaube, daß die wenigsten von uns Ihre Zeit wirklich den anderen schenken, sondern fast ausschließlich ihr Tun nach rein egoistischen Maßstäben ausrichten. D.h. man fragt sich, was nützt es mir, wenn ich dies oder das tue. Daß dabei auch ein Nutzen für den jeweils anderen dabei herauskommen kann und häufig auch herauskommt, liegt in der Natur der Sache. D.h. wenn ich arbeite, nützt diese nicht nur mir, weil ich damit Geld verdiene, sondern auch meinem Chef bzw. dem Unternehmen, wo ich angestellt bin. Oder ich gehe mit meinem Hund spazieren, weil ich die Verpflichtung verspüre, ihn auszuführen bzw. weil er sonst seine Geschäfte in der Wohnung macht, andererseits er dadurch an die frische Luft kommt.

Wichtig erscheint mir in diesem Zusammenhang die geistige Einstellung zu sein. Tue ich etwas, um in erster Linie mir einen Gefallen zu tun, oder denke ich zunächst daran, was anderen nützen könnte?

Denk‘ doch einmal an den heutigen Tag zurück. Wann hast Du heute daran gedacht, daß Du dieses oder jenes für diesen oder jenen tun könntest, ohne daß Dir dabei sofort in den Sinn kam, daß es nützlich für Dich sein könnte?

Ich möchte fast dafür wetten, daß das nicht einmal vorgekommen ist. Wir leben mehr oder weniger ständig in den Tag hinein, spulen unser Programm ab nach dem Motto: Was kann ich Gutes für mich tun, die umgekehrte Reihenfolge kommt nur selten vor.

Auch die Hausfrau, die für Ihre Lieben einkauft, wäscht, putzt, das Essen zubereitet handelt überwiegend egozentrisch. Denn wie bereits am Anfang einmal angesprochen, erweitern wir den Kreis unseres Selbst nach Belieben. Meine Frau, meine Familie, mein Verein, usw. „Mein“ steht dabei immer im Ge­gen­satz zu „Dein“. Wer klatscht schon für den Gegner, wenn der auch einmal ein Tor erzielt?

Wir sind also in unserem Denken und Verhalten tagsüber sehr einseitig auf uns selbst bezogen. Dabei gehört das Innen und Außen ganz offensichtlich zu­sammen. Eine Trennung vorzunehmen und das Gewicht auf das eigene Ego zu setzen, bringt uns in eine Schieflage. Durch die Betonung unseres Ichs werden wir dauernd damit konfrontiert, daß der Bestand und die Qualität unseres Selbsterlebens gefährdet erscheint. Wenn ich erster unter mehreren sein möchte, muß ich mich gegen die Ansprüche der anderen wehren. Wenn ich mehr haben will als mir zusteht, muß ich es den anderen wegnehmen. Wir zaubern uns also die Konkurrenz oder die Feinde auf den Plan.

Die Entschuldigung, daß andere durch ein derartiges Verhalten mich zu ähn­li­chen Taten zwingen, gilt nicht. Denn das Außen ist ein Spiegelbild unseres Innen. D.h. wenn wir unser Ego loslassen, werden auch die anderen verwandelt.

Das hört sich einfach an. In der sogenannten Realität glaubt man nicht so recht daran, angesichts brutaler Menschen, die mitleidslos über Leichen gehen, nur um noch mehr zu besitzen und noch mehr Macht auszuüben. Dagegen muß man sich zur Wehr setzen, sonst geht man unter. Da ist sicherlich etwas dran. Auf der anderen Seite ist auch offensichtlich, wenn man stur nach dem Motto verfährt „Auge um Auge und Zahn um Zahn“, schaukeln sich die Gegensätze im­mer gefährlicher nach oben. Eigene Positionen loslassen, das Interesse des anderen berücksichtigen bzw. im Sinne des Nicht-Tun in den Vordergrund stellen ist die Alternative.

Was kann ich für andere tun? Eine Frage, die wir uns übungshalber öfter stellen sollten. Das Bewußtsein für das Außen erweitern. Ob wir den Menschen um uns herum einen Dienst erweisen oder den Tieren und Pflanzen, ist im Prinzip gleich. Sie sind alle wichtig.

Als ich begann, mir diese Frage öfter zu stellen, wußte ich anfangs überhaupt nicht, wie ich meinem Außen anders begegnen könnte als bisher. Die egoisti­sche Brille macht uns blind für die Probleme anderer. Allmählich erst entdeckte ich die Möglichkeiten, die teilweise schon lange auf mich zu warten schienen. Und wenn es die Pflanzen im Hause waren, die umgetopft werden mußten oder das Auto, das aus angeblichem Zeitmangel seit Wochen nicht gewartet worden war.

Wenn man einmal damit anfängt, öffnet sich ein ganz anderes Weltverständnis. Das Mitfühlen, Mitdenken und das Mitmachen erscheint als wesentliche Kate­go­rie im täglichen Allerlei. Man kann diesen am Interesse des anderen orientierten Stand­punkt natürlich auch auf die Spitze treiben bis hin zur totalen Selbst­auf­gabe. Aber dann wird es wieder Tun. Und wir haben lediglich die Seite ge­wech­selt.

Fassen wir zusammen: Das normale Alltagsbewußtsein ist häufig, wenn nicht sogar ständig, einseitig mit der Lösung egozentrischer Probleme beschäftigt. Mot­to: Was kann ich für mich tun? Da fast jeder so denkt, entstehen die sattsam bekannten Interessenkonflikte. „Jeder ist sich selbst der nächste“ oder „Rette sich, wer kann“.

Allein an der Umweltproblematik können wir erkennen, daß eine derartige Hal­tung durch negative Rückkopplung wieder auf uns zurückschlägt. An das Außen bzw. an andere zu denken und dafür Zeit, Energie und eventuell Geld zu in­vestie­ren ist von daher gesehen ein fast notwendiges Nicht-Tun. Aber häufig reicht schon ein Lächeln, ein freundlicher Gruß oder eine kleine Handreichung, statt verbiestert, gedankenverloren und stumm aneinander vorbeizugehen, um die Seite zu wechseln und einen Ausgleich zu schaffen. Oder wenn man sich dabei ertappt, wie man mal wieder im Autoverkehr ohne Rücksicht auf Verluste das Gaspedal betätigt: Runter vom Gas, die anderen ruhig fahrenlassen, den Tag genießen.

  • Anonymous

    Vielen Dank für dieses Buch. Es ist seit langem ein Buch das ich sofort komplett bis zum Ende gelesen habe. Viele Grüsse Willy

    • hulrich

      Vielen Dank, Willy! Ist schön, wenn mal jemand antwortet und dann noch so positiv. Für weitere Fragen oder Kommentare stehe ich gerne zur Verfügung. Hans Ulrich

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