Eine philosophische Entdeckungsreise

Das Spiel mit dem Gegensatz

2.1.12 Bewußt-Sein!

Das Bewußtsein ist das Wissen vom Sein. Ein Zecke beispielsweise kann jahr­zehn­te­lang ohne Lebenszeichen auf einem Baum hocken. Erst wenn sie den Geruch von Buttersäure (Erkennungs­zeichen von Säugetieren) wahrnimmt, läßt sie sich fallen und heftet sich nach Möglichkeit an die Haut. Ihr Wissen vom Sein ist stark eingeschränkt. Sie kennt weder Sonntag noch Montag, weder New York noch Tahiti, weder Kuchen noch Kaffee, ja, sie weiß nicht einmal etwas von sich selbst. Weißt Du etwas von Dir selbst?

Natürlich weißt Du etwas von Dir selbst. Du weißt, wie Du heißt, wo Du wohnst, was Du für ein Auto fährst. Tatsächlich? In diesem Moment weißt Du nichts. Du liest diese Zeilen und damit ist Dein Bewußtsein ausgeschaltet. Oder kannst Du bewußt lesen? Was heißt das?

Normalerweise denken wir, wenn wir morgens aufgewacht sind, daß wir bewußt sind. Wir reiben uns die Augen, gehen unter die Dusche, ziehen uns an, früh­stücken, etc. Der eine schläft noch halb, der andere denkt bereits an die Tage­s­probleme. Ist einer von Ihnen bewußt? Nimmt er bewußt wahr, daß ein Sonnenstrahl auf der Bettdecke liegt, das Wasser angenehm auf der Haut prickelt, der Kaffee die Sinne belebt, der Partner ein neues Deo aufgelegt hat?

Solange wir mit unseren Gedanken im Gestern oder im Morgen sind, solange wir uns überhaupt von dem entfernen, was uns unmittelbar umgibt (Raum, Mensch, Zeit) einschließlich unserer eigenen Signale, ist auch unser Bewußt-Sein ausgeschaltet.

Was weißt Du in diesem Augenblick von Deiner Umgebung? Bist Du Dir bewußt, daß Du in einem Sessel sitzt, vielleicht in Deinem Wohnzimmer, daß die Uhr tickt, draußen ein Hund bellt, ein Auto vorbeifährt, etc. Wahrscheinlich nicht. Trotzdem wirst Du nachher behaupten, Du wärst bei Bewußtsein gewesen. Schließ­lich hast Du nicht geschlafen, sondern gelesen. Und wenn Du Dich ange­regt mit einem Freund, Zeit und Raum vergessend, unterhalten hast, glaubst Du ebenfalls, bewußt gewesen zu sein.

Unter Bewußt-Sein ist zu verstehen, daß man bewußt wahrnimmt, was in einem bestimmten Augenblick geschieht. Wenn Du jetzt z.B. merkst, daß Dein Fuß eingeschlafen ist und unangenehm kribbelt, bist Du bewußt. Wenn Du Dich jetzt einen Moment zurücklehnst und einen Augenblick gar nichts denkst, bist Du Dir dieser Stille in Dir bewußt. Und jeder Gedanke, der sich dazwischen drängt, macht Dich wieder ein Stück unbewußter. Das heißt nicht, daß Du nicht bewußt denken kannst. Probier es einmal!

Wie lange klappt es mit dem bewußten Denken? 10 Sekunden, eine halbe Minute. Interessant ist vor allem bei diesem Versuch, daß man sich schnell fragt, was man überhaupt denken soll. Wieviel Energie könnten wir sparen, wenn wir nicht soviel unnötig Gedankenkraft vergeuden würden.

Was wir brauchen ist das Bewußtsein des Bewußt-Seins. Erst damit können wir die Kontrolle über uns erlangen, Ängste auflösen, unnötige Spannungen ab­bauen, den Augenblick genießen. Das normale Wach-Bewußtsein läßt uns noch im Zustand des Automaten, gesteuert vom Klein- und Mittelhirn.

Uralte Verhaltensprogramme (Fluchtinstinkte, Überlebenstriebe, Sexualtrieb) regeln unseren Tagesablauf, unser Fühlen und Denken. Sicherlich sinnvoll, aber nicht unbedingt immer notwen­dig. Vor allem dann, wenn wir uns persönlich weiterentwickeln wollen, von der Ebene der Gegen­sätze bewußt auf die Ebene der Ganzheitlichkeit wechseln wollen, brauchen wir das Bewußt-Sein wie das tägliche Brot.

Bewußt-Sein heißt ja nicht nur Kontrolle, falls Du das noch nicht richtig verstanden haben solltest. Es geht nicht darum, die Gefühle zurückzudrängen, kalt und nüchtern zu reagieren, den Verstand einseitig zu bevorzugen. Dann wären wir ja keinen Schritt weitergekommen. Herz und Verstand müssen gleichermaßen zu ihrem Recht kommen. Sich kontrolliert gehen lassen ist eines der Stichwörter. Kann man das überhaupt?

Man kann. Und nicht nur das.

Erst wenn Du bewußt Deine Stimmung erlebst, die Formen und Farben der Natur wahrnimmst, Tier und Mensch auf Dich wirken lassen kannst, dann fängst Du an zu leben. Typisch für den normalen Ablauf ist, daß wir z.B. Hunger ha­ben, uns etwas Schmackhaftes zu essen machen und dann beim Essen Zeitung lesen, fernsehen oder uns unterhalten. Hinterher haben wir dann noch neben dem vollen Bauch einen angenehmen Geschmack auf der Zunge, aber das war es dann auch. Lassen wir uns dagegen Zeit beim Essen, erfreuen wir uns schon an der appetitlichen Zubereitung, dem sinnlichen Geruch, dem Geschmack jedes Happens auf der Zunge und am Gaumen, dann haben wir nicht nur einfach mehr davon, sondern erleben eine ganz andere Qualität. Auch das gehört zum Mark des Lebens.

  • Anonymous

    Vielen Dank für dieses Buch. Es ist seit langem ein Buch das ich sofort komplett bis zum Ende gelesen habe. Viele Grüsse Willy

    • hulrich

      Vielen Dank, Willy! Ist schön, wenn mal jemand antwortet und dann noch so positiv. Für weitere Fragen oder Kommentare stehe ich gerne zur Verfügung. Hans Ulrich

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