Eine philosophische Entdeckungsreise

Das Spiel mit dem Gegensatz

2.1.7 Wer hat Angst vorm schwarzen Mann?

Zittern, Zaudern, Zagen – wer kennt es nicht, das schleichende, lähmende Ge­fühl der Angst. Der Magen verkrampft sich, die Hände werden feucht, das Ge­hirn ist leer. Warum eigentlich?

Schauen wir uns einmal Angstsituationen an. Die Angst zu versagen, z.B. bei Prü­fungen, Vor­trä­gen, im Beruf, im sportlichen Wettkampf, etc. gehört dazu. Oder die Angst jemanden zu ver­lieren, den man behalten möchte, den Partner, das Kind, den geliebten Menschen. Es gibt Angst vor dem nächsten Krieg, Angst vor ansteckenden Krankheiten, vor Autos, Unfällen, Schicksals­schlägen, etc.

Angst regiert die Welt. Nicht umsonst machen Versicherungen große Geschäfte. Doch alles zu ver­sichern ist nicht möglich, und Geld ist häufig nur ein schlechter Ersatz.

Äng­ste zu empfinden gehört zu den menschlichsten aller Regungen. Angst wird aber nicht unbe­dingt vererbt. Kleinkinder empfinden normalerweise wesentlich weniger Angst als Erwachsene. Warum?

Sie haben nichts zu verlieren. Ein Kind darf sich unmöglich benehmen, hat kaum ein Bewußtsein für mögliche Gefahren und kennt kein Schuldgefühl. Was soll ihm also passieren?

Eben das können wir uns auch fragen. Was kann uns eigentlich passieren? Wir haben doch im Grunde auch nichts zu verlieren. Innen und Außen, Du und ich, Sein oder Nicht-Sein gehören zusammen. Wenn etwas geschieht, dann werden lediglich die Gewichte verschoben. Was mir gehört, gehört dann Dir. Wenn ich nicht mehr bin, ist ein anderer da. Wir schaffen doch selber unsere Wirklichkeit. Mit unseren Ängsten malen wir die Bilder, die wir sehen wollen. Ich erinnere an den nächtlichen Spaziergang im Wald.

Von Don Juan, dem brujo Carlos Castanedas, wird die Angst als Feind auf dem Weg zum Wissenden bezeichnet. Sie ist tatsächlich ein Feind, aber durchaus auch ein Freund. Die Angst hat eine wesentliche lebenserhaltende Funktion. Wenn wir keine Angst um unser Leben hätten, und demzufolge ein ent­spre­chen­des Verhalten an den Tag legten, hätte sich unsere Art wohl kaum durchgesetzt. Auf dem Weg zur Ganzheitlichkeit können und dürfen wir die Angst nicht verlieren, aber wir müssen lernen, sie zu beherrschen.

Was kannst Du tun, wenn Du als Frau abends durch einen Park gehst, Dir ein Mann begegnet und Du vor lauter Angst unsichtbar werden möchtest?

Zunächst einmal denke vorher darüber nach, ob es sinnvoll ist, zu dieser Zeit überhaupt durch diesen Park zu gehen. Wenn Du diese Entscheidung bewußt getroffen hast, mußt Du auch damit rechnen, daß Dir eine derartige Situation begegnet. Bist Du darauf vorbereitet, wirst Du auch weniger Angst empfinden. Wenn Du nicht vorbereitet bist, solltest Du trotzdem versuchen, Deinen klaren Verstand einzuschalten. Die Wahrscheinlichkeit, daß der Mann Dir etwas antun könnte, ist ziemlich gering. Nach dem Gegensatz-Prinzip solltest Du, statt weg­zu­laufen, eher auf ihn zugehen und ihn vielleicht noch sogar mit fester Stimme grüßen.

Sieh ihn als Prüfung an, die Du selber heraufbeschworen hast. Angst macht Dich schwach, und er bietet Dir die Möglichkeit, sie zu besiegen. Wenn Du selbst­bewußt auftrittst, wird sich jeder potentielle Täter zurückziehen, denn Gegen­wehr kann er nicht gebrauchen. Funktioniert Dein Verstand nicht, dann akzeptier Deine Angst, mach die Augen zu und geh dadurch.

Wenn Du die Situation überstanden hast, überleg Dir, welche Fehler Du ge­macht hast und nimm Dir vor, z.B. in einen Selbstverteidigungskurs zu gehen. Dann wirst Du das nächstemal den Mann sogar anlachen.

Bei Castaneda finden wir den Begriff der Makellosigkeit. Ein Krieger, so sagt Don Juan, handelt makellos, wenn er sein Bestes gibt und die volle Verant­wor­tung für seine Taten übernimmt. Das ist es doch. Wenn ich mich so gut wie möglich auf eine Prüfung vorbereitet habe, kann ich dem Ergebnis gelassen entgegensehen. Denn es gibt nichts, was ich hätte besser machen können. Ähnlich ist es bei der Mutter, die weiß, daß sie alles getan hat, was den Um­stän­den entsprechend hätte getan werden müssen. Und wenn ich nachts durch den Wald laufe, muß ich einfach damit rechnen, daß ich aus einer Mücke einen Elefanten mache. D.h. wir müssen auch das Ergebnis unserer Bemühungen, egal wie es aussieht, akzeptieren, und zwar vorweg. Wenn es klappt, ist es gut, wenn nicht, ist es auch gut, und zwar in dem Sinne, daß ich es nicht ändern kann.

Zusammengefaßt: Die Angst ist ein Feind unserer Entwicklung. Ängste machen schwer und unbeweglich. Sie verfinstern die Sonne, ohne daß für andere eine Wolke zu sehen ist. Sie sind ein Reflex auf unser Bedürfnis, uns abzusichern, Besitzstände zu wahren und zu mehren. Lassen wir doch dieses Besitzdenken los. Wir gehören ohnehin alle zusammen. Das Außen ist ein Spiegelbild des Innen. Also geben wir unser Bestes und schauen zu, was sich daraus ergibt.

  • Anonymous

    Vielen Dank für dieses Buch. Es ist seit langem ein Buch das ich sofort komplett bis zum Ende gelesen habe. Viele Grüsse Willy

    • hulrich

      Vielen Dank, Willy! Ist schön, wenn mal jemand antwortet und dann noch so positiv. Für weitere Fragen oder Kommentare stehe ich gerne zur Verfügung. Hans Ulrich

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